Dabei war der Weg nicht gerade einfach, Mutter haben sich mit ihrer neuen Platte, wie sie es selbst nennen, „ausgeliefert“: mangels finanzkräftiger Plattenfirma gaben sie im Dezember 2009 Schuldverschreibungen in Höhe von 100 Euro aus, um das Album mit Hilfe ihrer Freunde und Fans zu finanzieren. Jeder Geldgeber erhielt eine nummerierte und signierte, im künstlerischen Tiefdruck hergestellte Grafik. Man konnte sogar unter drei Motiven wählen. Bis Ende März 2011 könnte man sein Geld wieder zurückfordern, aber wer will schon eine Radierung von Max Müller zurückgeben?
Die Musik hat es wieder mal in sich, auf diese Band ist einfach Verlass. 12 sauber produzierte Songs mit sperrigem Rock und kruden Texten gibt es, kaputtes Kreuzberg-Feeling direkt mit der Zeitmaschine aus den 80er Jahren transportiert, und die Musik ist dabei wie gehabt von Gitarre, Schlagzeug und Bass geleitet. Hinzu kommt, dass Max Müllers Stimme dabei immer noch frisch und intensiv, fast wie früher klingt.
Vergeblich sucht man nach Ironie oder anderen Stilelementen in den Texten. Was Max Müller sagt, das zählt, das meint er auch so und das hat zeitweise eine fast schon schmerzhafte Nähe. Zwar wird immer noch Gebrüllt, aber der Nicht-anfassen-Effekt von früher ist fast vollständig verschwunden. An seine Stelle tritt eine Melancholie, die man schon in Max Müllers Soloalbum »Die Nostalgie ist auch nicht mehr das was sie mal war« (2008) spüren konnte.
24 Jahre nach ihrer Gründung befinden sich Mutter mittlerweile und auch amüsanterweise ja in der Position der Älteren: »Die Alten hassen die Jungen / sie sagen dass das so nicht geht / … Es geht es geht / Wir sind zu spät«, singt Müller. Der, der da heute nicht mehr verstehen will, das ist tatsächlich der jugendliche Besserwisser von damals. »Bis die Jungen die Alten sind«, und die Geschichte sich wiederholt. Und dennoch ist da diese Ahnung, dass man immer noch etwas dagegensetzen muss: »Ich möchte alles sein / bloß nicht wie die anderen« (»Erlösung von Oben«). Oder eben: »Idioten zu erklären, dass sie welche sind / kann man nicht und tut es doch, weil sie welche sind« (»Tag der Idioten«) . Wunderbar auch die tragische Abschieds-Melancholie im Ohrwurm-verdächtigen Song »Zug«: »der Zug entfernt sie / er bleibt zurück / zerstört hat sie sein kleines Glück«.
Fazit: man fragt sich manchmal wie sie es schaffen, immer wieder so fantastische Songs hinzukriegen. Es sind wohl die ungekünstelten, ehrlichen deutschen Texte, die markante Stimme und die versteckte, aber immense Energie, die Mutter seit 24 Jahren ausstrahlen. Das soll ihnen erst mal jemand nachmachen.
Zum Reinhören: www.myspace.com/muttermusik
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